Freier Wille
Das bewusst erlebte Ich wird lediglich von unserem Gehirn erzeugt

Seit jeher versucht der Mensch durch die verschiedensten Praktiken und Methoden seinen Lebenslauf zu beeinflußen und zu ändern. Zum Beispiel sind aus Religion, Philosophie oder Psychologie vielfältige Lehren und Wege bekannt, um die Lebensqualität des Menschen zu verbessern, oder um ihn auf ein bestimmtes Ziel hin zu entwickeln. Vorausgesetzt wird dabei immer, dass der Mensch frei und selbstverantwortlich Entscheidungen trifft.
Doch ist dies wirklich möglich? Sind wir tatsächlich unseres "Glückes Schmied"? Gibt es ein individuelles "Ich", welches durch Entscheidungen seines freien Willens sein Leben bestimmt? Diese Fragen wurden schon immer von Religion und Philosophie diskutiert (z.B. Körper-Geist-Problem bei der Philosophie des Geistes). An dieser Diskussion nehmen heutzutage auch Wissenschaftler aus dem Gebiet der Hirn- und Bewusstseinsforschung und der Genetik teil. Wie bei jeder Diskussion besteht dabei zunächst das Problem der Begriffsdefinition. Was ist überhaupt unter "Freier Wille", "Bewusstsein" oder "Ich" zu verstehen?
"Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens. Schopenhauers Wort: 'Der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will', begleitet mich in allen Lebenslagen und versöhnt mich mit den Handlungen der Menschen, auch wenn sie mir recht schmerzlich sind. Diese Erkenntnis von der Unfreiheit des Willens schützt mich davor, mich selbst und die Mitmenschen als handelnde und urteilende Individuen allzu ernst zu nehmen und den guten Humor zu verlieren."
Albert Einstein, aus "Mein Glaubensbekenntnis", 1932. Albert Einstein in the World Wide Web (2023): Einsteins Glaubensbekenntnis [online] einstein-website.de/glaubensbekenntnis/ [10.03.2023]
"Du kannst thun was du willst: aber du kannst, in jedem gegebenen Augenblick deines Lebens, nur ein Bestimmtes wollen und schlechterdings nicht Anderes, als dieses Eine."
Schopenhauer, Arthur. (1978). Preisschrift über die Freiheit des Willens. Hamburg: Felix Meiner, S. 58-59. Wikiquote (2023): Arthur Schopenhauer [online] de.wikiquote.org/wiki/Arthur_Schopenhauer [10.03.2023]
Literatur
Buchtipp: Wissenschaft und Willensfreiheit

Unsere Entscheidungen treffen wir selbst und frei. Oder nicht? Für unser Menschenbild ist wenig so bedeutend wie die Erfahrung, sich selbst unter Kontrolle zu haben. Doch was sagen Philosophie und Wissenschaft hierzu? Schon lange vor der Diskussion der Willensfreiheit in der Hirnforschung war man sich dieses Problems bewusst. Stephan Schleim nimmt hier den Vortrag des bedeutenden Physikers und Nobelpreisträgers Max Planck aus den 1930er Jahren zum Anlass, das Thema neu zu beleuchten. Dabei steht im Fokus, wie unsere tatsächlichen Entscheidungen in Alltagssituationen beeinflusst werden. Damit hebt sich das Sachbuch von anderen Veröffentlichungen ab, die nur Laborexperimente mit begrenzter Aussagekraft behandeln. © Text und Bild Springer. Schleim, Stephan (2023): Wissenschaft und Willensfreiheit - Was Max Planck und andere Forschende herausfanden, Berlin - Heidelberg: Springer E-Book
Buchtipp: Der Ego-Tunnel

In seinem Buch Der Ego-Tunnel zeigt der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger: Das 'Selbst' existiert gar nicht. Das bewusst erlebte Ich wird lediglich von unserem Gehirn erzeugt, und was wir wahrnehmen, ist nichts als 'ein virtuelles Selbst in einer virtuellen Realität'. (...) Wenn es stimmt, dass unser erlebtes Ichgefühl eine Schöpfung unserer Hirnfunktionen ist und dass sich unsere subjektive Wirklichkeit bald immer genauer manipulieren lässt, dann wirft dies drängende Fragen auf: Gibt es überhaupt so etwas wie eine Seele und einen freien Willen? © Text und Bild Berlin Verlag. Metzinger, Thomas (2009): Der Ego-Tunnel - Eine neue Philosophie des Selbst - Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik, Berlin: Berlin Verlag
Buchtipp: Freier Wille – frommer Wunsch?

Bewusst erlebten Willensentscheidungen gehen neuronale Bereitschaftspotentiale zeitlich voraus. Was bedeutet das für unser Verständnis menschlicher Freiheit? Wie verhält sich der Eindruck, »frei« entscheiden zu können, zur naturgesetzlichen Beschreibung des Menschen als materielles System? Diese im Kern alte Debatte hat durch die Neurowissenschaft der Gegenwart eine erneute Zuspitzung erfahren. Im vorliegenden Buch sind aktuelle Beiträge renommierter Autoren aus Psychologie, Philosophie des Geistes, Natur- und Rechtsphilosophie, Biologie, Soziologie und Moraltheologie versammelt. Dabei steht zum einen die Frage im Vordergrund, welche Vorstellungen menschlicher Freiheit mit einem determinierten Naturgeschehen verträglich sind und welche aufgegeben werden müssen. Zum anderen wird das Problem verfolgt, welche Grundlage für die Zuschreibung der Urheberschaft eigener Handlungen und damit für die persönliche Verantwortung des Menschen bleibt. Die Lösung dieses Problems entscheidet über die philosophische Begründung strafrechtlicher Praxis. © Text und Bild Mentis Verlag. Fink, Helmut (Hrsg.) und Rosenzweig, Rainer (Hrsg.) (2006): Freier Wille – frommer Wunsch? Gehirn und Willensfreiheit, Paderborn: Mentis
Lesetipp: Bewusstsein und freier Wille

In diesem zweiten Heft unserer GuG-Reihe "Rätsel Mensch" dreht sich alles um Bewusstsein und Willensfreiheit – für viele die faszinierendsten Probleme der Hirnforschung und Philosophie. John Searle, der 82-jährige Denker von der University of Berkeley (Kalifornien), brütet darüber schon seit mehr als einem halben Jahrhundert. Er beklagt, dass auf diesem Gebiet immer noch "viel Unsinn" geredet werde. Dieses Heft soll helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Hier versammelt finden Sie die wichtigsten Beiträge aus GuG und "Spektrum der Wissenschaft" über die Erforschung des menschlichen Bewusstseins, über unsere Fähigkeit zur Selbsterkenntnis sowie zur Debatte über den freien Willen. Den Thesen mancher Hirnforscher, die Letzteren schon mitsamt den Ideen von Schuld und Verantwortung für widerlegt erklärten, halten Neuroskeptiker einen sprach- und methodenkritischen Spiegel vor. Selbsterkenntnis scheint auch in der Forschung der sicherste Weg zur Besserung zu sein. © Bild und Text Gehirn und Geist. Rätsel Mensch - Gehirn und Geist 1/2015 - Nr. 2: Bewusstsein und freier Wille
Bin ich es, der in dem handelt, was ich für meine Taten halte?
"Setzen Sie sich am Ende des Tages zwanzig, dreißig Minuten lang still für sich allein hin, und prüfen Sie eine oder zwei Aktionen des vergangenen Tages, in denen Sie nach Ihrer Überzeugung der Akteur waren. Wie kam der Entschluss zu dieser Aktion zustande? Gingen Gedanken voraus oder vielleicht irgendein von Ihnen gänzlich unabhängiges Ereignis? Gehen Sie anschließend Ihre Aktion noch einmal durch, und zwar mit der Frage, wie viel daran wirklich Ihrem Einfluss unterlag. Wenn Sie dabei gründlich und ehrlich vorgehen, werden Sie unweigerlich finden, dass jede Aktion, die Sie für Ihre gehalten haben, von etlichen Faktoren abhängig war, die überhaupt nicht Ihrem Einfluss unterlagen. Am Ende werden Sie sagen müssen, dass Ihre Aktion nicht wirklich Ihre war." Balsekar, Ramesh S. (2008): Wo nichts ist, kann auch nichts fehlen, München: Lotus Verlag, S. 53
Mehr Informationen zu Freier Wille
- Advaita bei michaelditsch.de
- Being No One bei michaelditsch.de
- Thomas Metzinger bei michaelditsch.de
- Freier Wille bei Wikipedia
de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille - Libet-Experiment bei Wikipedia
de.wikipedia.org/wiki/Libet-Experiment - Ich bei Wikipedia
de.wikipedia.org/wiki/Ich - Philosophie des Geistes (Leib-Seele-Problem) bei Wikipedia
de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_des_Geistes