Sakshi Bhava

Zeugenbewusstsein

Sakshi - साक्षि sākṣi (Sanskrit) - Zeuge, Beobachter
Bhava - भाव bhāva (Sanskrit) - Einstellung, Zustand

Sri Mata Amritanandamayi Devi über Sakshi Bhava

"Sakshi Bhava ist ein Zustand, in dem du dauerhaft losgelöst und unberührt bleibst, während du alles, was geschieht, einfach nur beobachtest, ohne Einmischung des Geistes oder seiner Gedanken. Es ist nicht möglich, allem gegenüber Zeuge zu sein, solange sich der Geist ständig einmischt. Der Geist besteht aus Gedanken. Er kann nur denken und zweifeln. Im höchsten Zustand des Zeugeseins befindest du dich dauerhaft in deiner wahren Natur.
In Sakhi Bhava wirst du Zeuge von allem und jedem. Du beobachtest einfach. Es gibt keine Anhaftung oder Mitwirkung, nur Beobachtung. Du beobachtest sogar deine eigenen Gedanken. Solange du bewusst deinen eigenen Gedankenprozess betrachtest, denkst du nicht. Du tust nichts. Du bist regungslos. Du beobachtest und freust dich einfach, ohne von irgend etwas bewegt oder berührt zu werden. Wie kann der Geist einen solchen Zustand erreichen? Er kann nur denken, zweifeln und anhaften. Der Geist kann nicht Zeuge sein.
Zum Geist gehört das Denken, während Zeuge sein dem Höheren Selbst angehört. Zeugesein ist ein Zustand des Reinen Bewusstseins. Der Geist und seine Gedanken sind nicht wirklich. Sie sind eine Fiktion unserer eigenen Schöpfung. Nur das Bewusstsein ist wirklich. Zu denken mag dir natürlich erscheinen, aber es ist nicht natürlich. Es gehört nicht zu deiner wahren Existenz. Dein Ego und deine Gedanken erzeugen nichts als Unruhe und Aufregung. Sie gehören nicht zu dir, und du wirst solange ruhelos sein, bis sie aufgelöst sind.
Zeugesein ist der Zustand bloßer Beobachtung mit vollkommener Wahrnehmung. Auf der Ebene von Sakshi Bhava bist du vollkommen bewusst. Hast du dich hingegen mit deinem Geist und seinen Gedanken identifiziert, bist du nicht bewusst - du bist weit entfernt vom Reinen Bewusstsein. Du bist im Dunkeln und kannst nicht wirklich sehen. Der Geist sieht nur die externe Welt, die äußere Form der Dinge. Nie kann er erkennen, wie etwas tatsächlich ist, weil du nicht wirklich siehst, sondern nur denkst. Und wenn du nur denkst, siehst du die Dinge nicht wie sie sind.
Luxus und zunehmende Anhäufung materieller Güter erzeugen immer mehr Gedanken, und mehr Gedanken entfernen dich von deiner wahren Mitte. Will man Zeuge sein, muss man auf der höchsten Ebene der Nicht-Anhaftung etabliert sein. Ein Geist, der sich an etwas klammert, kann nicht Zeuge sein. Er ist an Gedanken und Objekte gebunden. Er kümmert sich nur um 'Ich' und 'Mein'. Im Zeugenbewusstsein gibt es keine Erfahrung von 'Ich' und 'Mein'. Man ist jenseits all dieser begrenzten und engen Gedanken." S. 25 - 26

"Unser Problem ist, dass wir uns mit allen möglichen Stimmungen und Launen des Geistes identifizieren. Wenn wir wütend werden, werden wir zur Wut. Das gleiche ist mit Angst, Erregung, Kummer und Glück. Ob positiv oder negativ, wir werden eins mit der jeweiligen Emotion. Wir identifizieren uns mit der Maske.
Wenn ihr euch in einer negativen Stimmung befindet, mögt ihr Wut haben. Seid ihr entspannt, verspürt ihr Frieden und Liebe für andere. In Wirklichkeit ist keine dieser Stimmungen mit euch identisch. Ihr besitzt zum Beispiel ein schönes Haus, eine Familie, einen netten Hund und eine Katze. Angenommen jemand fragt: 'Wessen Haus ist das?' Was werdet ihr antworten? Ihr werdet sagen: 'Das ist mein Haus'. Und dasselbe werdet ihr über euer Auto, eure Familie, euren Hund und eure Katze sagen. Alles gehört euch. Aber was immer euch gehören mag, ist nicht identisch mit euch. Es ist verschieden von euch. Das Haus gehört euch, aber ihr seid nicht das Haus. Der Körper gehört euch, aber ihr seid nicht der Körper. Und so ist es auch mit den Gedanken, euren Gefühlen und eurem Intellekt. Sie gehören euch, aber sie sind nicht ihr selbst. Ihr seid der Sehende, der durch die Augen sieht, ihr seid der Wahrnehmende, der die Emotionen empfindet, ihr seid der Denkende hinter den Gedanken - ihr seid es, der fühlt, denk, sieht, hört und schmeckt. Ihr seid der Erfahrende, das Subjekt. Wenn ihr einst das eigentliche Subjekt hinter allem werdet, fallen sämtliche Unterschiede weg und ihr lasst die äußere Welt hinter euch." S. 38 - 39

Quelle: Erwacht, Kinder! Band 7 - Gespräche mit Sri Mata Amritanandamayi Devi, Swami Amritaswarupananda Puri (Autor), M.A. Center, 2019

Buchtipp: Erwacht, Kinder! Band 7

"Den Vedanta im eigenen Leben zu praktizieren, bedeutet tief in das wirkliche Leben einzutauchen, es in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit kennenzulernen und zu erfahren. Der Vedanta verneint das Leben nicht, sondern bejaht es. Er ist ein wesentlicher Bestandteil dessen. Er lehrt nicht etwas außerhalb von uns, sondern alles über uns selbst, unser eigentliches Wesen, unsere wahre Existenz. Tatsächlich fängt das wahre Leben erst an, wenn wir mit der Erforschung des eigenen inneren Selbst beginnen. Erst dann beginnt auch die eigentliche Reise unseres Daseins. Mutter sagt: 'So wie wir essen und schlafen, sollte die spirituelle Praxis ein unentbehrlicher Teil unseres Lebens werden. Solange Spiritualität und Materialismus nicht im Gleichgewicht sind, können wir kein echtes Glück erfahren und das Ziel unseres Lebens nicht erreichen. Diese Balance ist der eigentliche Kern des Lebens und in der Tat das Ziel des Vedanta, sowie aller anderen wahren Religionen dieser Welt.'
Dieses Buch, der siebte Band von ‚Erwacht, Kinder‘, ist für mich die Quintessenz des Vedanta. Es ist ein sicherer Weg zu einem äußerst glücklichen und erfolgreichen Leben. Jedes Wort ist tiefgründig und enthält die Spiritualität und das Leben als Ganzes. Dieses Buch zu lesen kann zu einer Meditation, zu einem Einblick in das innere Selbst werden." Vorwort von Swami Amritaswarupananda Puri (Autor). © Bild und Text M.A. Center. Erwacht, Kinder! Band 7 - Gespräche mit Sri Mata Amritanandamayi Devi, Swami Amritaswarupananda Puri (Autor), M.A. Center, 2019

Ken Wilber über den Beobachter / Zeugen

"Wenn dich also jemand fragt: Wer bist du? Dann könntest du beispielsweise sagen: Ich heiße soundso, ich bin soundso viele Jahre alt, ich bin so groß, wiege so viel. Ich habe einen Universitätsabschluss in diesem Studienfach, ich arbeite in diesem Beruf und verdiene so viel Geld. Ich habe keine Partnerin, keinen Partner usw. Du beschreibst also das, was du für dein Selbst hältst. Bei dieser Liste und in Bezug auf das Selbst, das du beschrieben hast, wird dir auffallen, dass es sich um Objekte handelt, die wir sehen können. Immer, wenn du nach innen schaust und dich selbst beschreibst, dann betrachtest du dein Inneres als ein Objekt, das du sehen kannst, ein Objekt des Gewahrseins. Und dann beschreibst du, was es ist, und nennst es: Ich. Die Weisheitstraditionen weisen daraufhin, dass all dies Objekte sind, die wir sehen können. Aber keines dieser Objekte ist der Beobachter dieser Objekte. Denn wer sieht das alles eigentlich, wenn du die Dinge beschreibst, die als Objekte durch dein Gewahrsein ziehen? Wer ist das wahre Subjekt? Wer ist das wahre Gewahrsein, das wirkliche Selbst? So haben wir versehentlich unser wahres Selbst gefunden: den reinen Zeugen, den wahren Sehenden. Wir haben uns ganz natürlich mit etwas erkannt, das nicht gesehen werden kann. So gut wie jede Weisheitstradition stellt der Menschheit die Diagnose, dass sie an einem Fall von falscher Identität leidet. Diese Traditionen übernehmen die Aufgabe, uns zu erklären: Also, das, was du für dein Selbst hältst, ist nicht dein Selbst. Diese ganze Liste von Dingen, mit denen du dich selbst beschreibst, ist genau das, was du nicht bist. So gelangen wir zum wahren Selbst, zur Fähigkeit, einfach unvoreingenommen alles, was erscheint, zu bezeugen. Dieser Zeuge ist ein echtes Subjekt. Er ist das wahre Selbst." Wilber, Ken: "Dem Urgrund des Seins auf der Spur - Sind wir mehr als das Ego?", in Tattva Viveka 86, 2021, S. 16

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