Muße
Wie wir wieder leben lernen

"Nach dem Duden ist das Wort 'Muße' eng verwandt mit den beiden Wortfamilien 'müssen' und 'messen'. Letzteres wiederum hängt mit dem Substantiv 'Mal' zusammen, das im Deutschen nur noch verwendet wird, um die Wiederholung einer gleichen Lage zu verschiedenen Zeitpunkten anzugeben oder um die Multiplikation auszudrücken: wie manches Mal, einmal, niemals. Mit Mal (Zeitpunkt) war ursprünglich auch identisch das Mahl (Essen), das den dafür festgesetzten Zeitpunkt bezeichnete. Müssen hatte ursprünglich die Bedeutung: sich etwas zugemessen haben. Interessant ist, dass die indogermanische Wurzel 'me(d)' (abstecken, messen) in Wörtern steckt wie dem lateinischen meditari (erwägen, nachdenken, 'meditieren') und medicus (Arzt; eigentlich: klug ermessender Ratgeber). Damit wird ein weites Feld abgesteckt, das mit 'Muße' in Verbindung steht. Muße ist eine vom 'Werk'-tag abgemessene Zeitspanne. Man muss sie sich bewusst nehmen, soll sie sich nicht verflüchtigen." Bilgri, Anselm (2014): Vom Glück der Muße - Wie wir wieder leben lernen, München: Piper Verlag, S.101
"Die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes (Althochdeutsch muoza) war 'Gelegenheit', 'Möglichkeit'. Schon in der Antike spielte der Begriff Muße, Lateinisch otium, eine herausragende Rolle und wurde mit Ruhe, Studium, Verzögerung und Langsamkeit in Verbindung gebracht. Für Aristoteles gab es Arbeit, Erholung von der Arbeit und Muße: 'glückliches, selbsterfülltes Sein'. Sokrates sah in der Muße 'die Schwester der Freiheit'. Auch Seneca empfahl in seiner Schrift De otio ein mußevolles Leben in Gleichmäßigkeit. Epikur sprach von der 'Windstille der Seele' und riet seinen Schülern, die Gegenwart voll auszukosten, statt immer neuen Erlebnissen in der Zukunft entgegenzujagen. Allerdings war Muße ein Privileg der Oberschicht. Der Lebenskünstler, der sich in Muße tiefgründigen philosophischen Fragen widmete, war der Gegenentwurf zum fremdbestimmten Sklaven. Heute sind wir scheinbar selbstbestimmt, haben deutlich mehr Freizeit als vorherige Generationen, leiden jedoch unter der Tyrannei der Effizienz, die uns antreibt, mit allem schnell fertig zu werden, um uns dann endlich ausruhen zu können. Doch da wir nie fertig werden, wird daraus nichts." Schönberger, Birgit: "Muße verzweifelt gesucht", in Psychologie Heute 4/2020, 2020, S. 60, URL: https://www.psychologie-heute.de/leben/40405-musse-verzweifelt-gesucht.html (Stand: 04.04.2020)
Subtraktive Lösungen
Weshalb alles immer komplizierter wird
"Gut, besser, mehr? Offenbar versuchen Menschen Probleme zu beheben, indem sie der Sache etwas hinzufügen. Die Möglichkeit, Systeme zu vereinfachen, übersehen sie meist."
"Die Tendenz, subtraktive Lösungen zu übersehen, trage aber mutmaßlich zu einer Reihe negativer Trends bei. Dazu gehörten immer dichtere Terminpläne und wachsende Bürokratie in Unternehmen und Behörden."
Fischer, Lars (2021): Weshalb alles immer komplizierter wird, [online] https://www.spektrum.de/news/strategien-warum-alles-immer-komplizierter-wird/1856419 [22.06.2021]
Literatur
Buchtipp: Nichtstun

Wir leben inmitten einer kapitalistischen Aufmerksamkeitsökonomie, die unsere Sinne und unser politisches Bewusstsein verkümmern lässt. «Nichts tun» ist der wohlüberlegte Aufruf, unser Leben fernab von Effizienzdenken und Selbstoptimierung zurückzuerobern. Ein provokatives, zeitgemäßes und glänzend geschriebenes Buch, das die Leser*innen aufrütteln wird. Unsere Aufmerksamkeit stellt die wertvollste Ressource dar, über die wir verfügen. Im Effektgewitter kommerzieller Internetplattformen wie Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok wird sie jedoch permanent überspannt. Jenny Odell plädiert in ihrem Buch auf eindrückliche Weise für ein radikales Innehalten, statt unsere kostbare Freizeit weiter an die kurzfristigen Verlockungen der Aufmerksamkeitsökonomie zu verschwenden. Nur über bewusste Formen des Nichtstuns finden wir heute noch zu uns selbst: etwa wenn wir uns phasenweise wieder in unsere natürliche Umgebung zurückzuziehen lernen, die Kunst der Naturbeobachtung kultivieren und authentische Begegnungen mit anderen zulassen. Odell versteht ihre Anleitung zum Nichtstun gleichsam als Akt des politischen Widerstands, um der notorischen Selbst- und Naturzerstörung im Kapitalismus etwas entgegensetzen und die Forderung nach demokratischer Partizipation und Solidarität mit Leben zu erfüllen. © Bild und Text C.H.Beck. Odell, Jenny (2021): Nichts tun - Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen, München: C.H.Beck E-Book. Kommentar zum Buch bei michaelditsch.de
Buchtipp: Vom Glück der Muße

Glücklicher werden mit Muße und Achtsamkeit. Das Leben könnte so schön sein – wenn wir nur Zeit dafür hätten. Der weltliche Mönch Anselm Bilgri zeigt, wie sich die uralte benediktinische Regel "Ora et labora" auf unsere moderne Welt übertragen lässt. Sein Credo: mehr Muße wagen! Wir müssen das Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung neu lernen, wenn wir das Leben wieder genießen wollen. Wir kennen es alle: Junge Eltern, die zwischen Job und Familie einen Balanceakt vollführen. Menschen in der Lebensmitte, die neben den eigenen Kindern plötzlich auch pflegebedürftige Angehörige versorgen müssen. Manager, die eine 60 Stunden Woche absolvieren. Am Ende steht immer der Seufzer: Wann finde ich nur endlich wieder mal Zeit für mich! Dabei sind die ersten Schritte scheinbar einfach: innehalten, in sich hineinspüren, eine Atempause einlegen. Und doch: Es kann harte Arbeit sein, sich solche Freiräume zu erobern. Als langjähriger Benediktinermönch weiß Anselm Bilgri aus eigener Erfahrung, wie wir uns auch im Alltag Inseln der Muße schaffen können. Inseln, auf denen Kreativität, Sinnlichkeit und Lebensfreude wachsen können. Denn nur wenn wir ganz bei uns selbst sind, können wir uns auf eines der größten Abenteuer einlassen, das es gibt: ein glückliches Leben! © Bild und Text Piper Verlag. Vom Glück der Muße - Wie wir wieder leben lernen, Anselm Bilgri, Piper Verlag, 2014
Buchtipp: Muße

Wir suchen, brauchen und fürchten sie: die Kraft der Muße. Haben Sie heute schon Däumchen gedreht und an die Wand gestarrt? Und dabei an nichts Bestimmtes gedacht? Falls nicht, so holen Sie es bitte bald nach. Für Gewissensbisse gibt es keinerlei Grund. Denn: Muße ist zur bedrohten Ressource geworden. Die Beschleunigungsgesellschaft mit ihrem Arbeitsdruck und dem Zwang zur permanenten Kommunikation lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Dabei haben Gehirnforscher und Psychologen längst herausgefunden, wie wichtig Phasen absichtslosen Nichtstuns sind. Sie fördern nicht nur die Regeneration und stärken das Gedächtnis, sondern sind auch die Voraussetzung für Einfallsreichtum und Kreativität. Große Ideen brauchen vor allem eines: Zeit und Muße. Isaac Newton kam der zündende Einfall zu seiner Gravitationstheorie im Garten, als er versonnen einen Apfel betrachtete. Descartes philosophierte am besten im Bett. Doch von solch kreativen Auszeiten können die meisten heute nur träumen. Ulrich Schnabel beschreibt die Ursachen der allgemeinen Zeitnot, zeigt uns, wo wir auch heute noch Inseln der Muße finden können, und bietet eine Fülle von konkreten Anregungen und Tipps für alle, die dem permanenten Drang zur Beschleunigung widerstehen wollen. Von John Cage über John Lennon bis zu Britta Steffen - Konkrete Tipps zu einem sinnvollen Umgang mit der Informationsflut -Spektakuläre Psycho-Versuche unter Tage - Was denken und fühlen wir, wenn wir lange allein sind? © Text und Bild Blessing Verlag. Ulrich Schnabel, Muße - Vom Glück des Nichtstuns, Blessing Verlag, 2010
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- Muße bei Wikipedia
de.wikipedia.org/wiki/Muße