Panpsychismus

Wie der Geist in den Körper kommt

"Der Begriff 'Panpsychismus' setzt sich aus den griechischen Worten 'pan' (alles, überall) und 'psyche' (Geist, Seele) zusammen und wurde im 16. Jahrhundert durch den italienischen Philosophen Francesco Patrizi eingeführt. Den beiden griechischen Worten zufolge geht der Panpsychismus davon aus, dass alle Dinge einen Geist oder geistähnliche Eigenschaften haben. Diese Definition ist zwar noch etwas vage, sie zeigt aber die Kernidee des Panpsychismus: Materie besteht nicht nur aus den Zahlen, Formeln und Relationen, die die Naturwissenschaften beschreiben und erklären können, sondern sie besitzt darüber hinaus subjektive und qualitative Merkmale: Die Eigenschaften des Geistigen sind schon 'in der Wurzel' der Materie vorhanden. Der Geist ist die Innenseite der Materie." Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein, Patrick Spät, Parodos, 2012, S. 115

Patrick Spät ergänzt die klassische Definition des Panpsychismus um eine graduelle Komponente. Die Entwicklung eines Bewusstseins steht im Verhältnis zur Komplexität materieller Eigenschaften lebender Organismen. Damit entkräftet er die oft erhobene Kritik, dass im Sinne des Panpsychismus auch Steine ein Bewusstsein haben müssten.

"Doch der Graduelle Panpsychismus nimmt keine horizontale Ordnung des Bewusstseins an, bei der das Bewusstsein auf allen Ebenen der Wirklichkeit anzutreffen ist, sondern vielmehr eine vertikale Ordnung. Und nach dieser vertikalen Ordnung ist unser bewusstes Erleben eine Verstärkung der simplen geistigen Informationen bei den Atomen und Zellen. Das Bewusstsein ist unmittelbar an die materielle Beschaffenheit desjenigen Organismus gebunden, der dieses Bewusstsein erlebt." Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein, Patrick Spät, Parodos, 2012, S. 161

"Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass dabei auch die östliche Philosophie ein guter zukünftiger Gesprächspartner sein kann. Denn viele Schulen der östlichen Philosophie haben eine panpsychistische Tendenz. Auch wenn ihre Konzepte teilweise schwer auf die abendländische Tradition übertragbar sind, ist es umso interessanter, dass sie unabhängig von dieser Tradition zu ähnlichen Ergebnissen gelangt sind: Hierzu lassen sich unter anderem der Hinduismus, der Buddhismus, der Taoismus und der Neo-Konfuzianismus zählen." Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein, Patrick Spät, Parodos, 2012, S. 227

Literatur

Buchtipp: Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein

Das Leib-Seele-Problem ist vertrackt: Wie kommt der Geist in den Körper? Und andersherum gefragt: Auf welche Weise kann unser Körper ein bewusstes Erleben hervorbringen? Dass die Neurowissenschaften uns diese Fragen nicht zufriedenstellend beantworten können, zeigt dieses Buch auf anschauliche Weise und präsentiert eine eigene, originelle Antwort. Zur Auflösung das "Weltknotens" zwischen Geist und Körper vertritt der Autor eine Position, die er auf den Namen "Gradueller Panpsychismus" getauft hat: Die gesamte physische Wirklichkeit birgt geistige Eigenschaften. Geist in der Natur statt naturalisierter Geist. Und: Je komplexer ein Ding in physischer Hinsicht ist, desto komplexer ist es in geistiger Hinsicht. Die Lösungsvorschläge führen zu verblüffenden Einsichten. © Bild und Text Parodos. Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein - Wie der Geist in den Körper kommt, Patrick Spät, Parodos, 2012 Kommentar zum Buch bei michaelditsch.de

Lesetipp: Die Suche nach dem Ich

Könnte das Internet irgendwann ein Gefühl von sich selbst entwickeln? Wird es gar anfangen, 'ich' zu sagen: 'Ich, das Internet' ? Das klingt derart verrückt, könnte man meinen, dass kein ernst zu nehmender Wissenschaftler darüber spekulieren würde. Guilio Tononi wagt es dennoch, ein renommierter Schlaf- und Bewusstseinsforscher. Und er bezweckt mit solchen Gedankenflügen vor allem eines: unserem eigenen, dem menschlichen Ich auf die Spur zu kommen. Er tut es auf so ungewöhnliche Weise, dass wir ihm gern unsere Titelgeschichte widmen. Denn während seine Kollegen die einzelnen Bereiche des Hirns erkunden in der Hoffnung, irgendwann ein Gesamtbild unseres Geistes zusammenzusetzen, fängt er beim großen Ganzen an: Er will erst das Ich verstehen, dann das Hirn. Das führt Tononi zu radikalen Thesen: Bewusstsein, so der fröhliche Querdenker, stecke nicht nur in menschlichen Köpfen, sondern womöglich in vielen anderen Lebewesen und sogar in vermeintlich toter Materie. Also in Tieren und, ja, vielleicht auch in Computern. © Bild und Text Geo Magazin. Editorial, GEO Magazin Nr. 09/14, S. 3. Kommentar zum Heft bei michaelditsch.de

Videos

Christof Koch and Giulio Tononi on Consciousness at the FQXi conference 2014 in Vieques

David Chalmers: How do you explain consciousness? Filmed March 2014 at TED2014

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